Grundversorger müssen jetzt die Fehler der anderen ausbügeln
Warum sich die aktuelle Diskussion von Verbraucherschützern und Politik fast ausschließlich darum dreht, dass diese Grundversorger ihre Strompreise vor allem für Neukunden angepasst haben, ist für uns nicht nachvollziehbar. Es kann nicht sein, dass Politik und Verbraucherschützer sich auf die regionalen Grund- und Ersatzversorger einschießen, die die Fehler von Politik, Verbraucherschützern und Billiganbietern ausbügeln. Dazu muss man beachten, dass für Energieversorger, wenn sie derzeit Strommengen für das laufende Jahr nachbeschaffen müssen, der Einkaufspreis an der Strombörse in Leipzig rund 20 ct/kWh beträgt. Rechnet man hierzu noch die gesetzlichen Abgaben, Umlagen und Steuern hinzu, kommt man auf einem Bruttostrompreis in Höhe von rund 41 bis 45 ct/kWh je nach tagesaktuellem Börsenpreis, der seit Mitte 2021 stark schwankend ist.
Die Einkaufspolitik der Grundversorger ist langfristig ausgelegt, nicht auf schnellen Profit. Strommengen können über einen gewissen Zeitraum im Voraus beschafft werden, mit berücksichtigt wird dabei eine planbare Entwicklung des Stromabsatzes wie Neubaugebiete, PV-Zubau mit Eigenverbrauch oder der Ausbau der Elektro-Mobilität. Billigstromanbieter kaufen ihre Strommengen kurzfristig am so genannten Spotmarkt. Sie planen nicht längerfristig und sichern ihren Kunden oft auch nicht längerfristig die Strommengen. Das Modell der Billiganbieter kann bei niedrigen Strompreisen eventuell funktionieren. Steigen jedoch die Preise, gehen die Anbieter insolvent oder sie setzen einfach, wie es etwa Stromio getan hat, seine Kunden von heute auf morgen auf die Straße. Aufgefangen werden diese dann von den Grundversorgern. Diese müssen nun Mehrmengen zum tagesaktuellen Börsenstrompreis nachkaufen, der sich bekanntlich auf einem Höchststand befindet. Deshalb auch die Preiserhöhungen vieler Grundversorger.
Es darf nicht sein, dass seriöse Stromversorger und deren treue Kunden die Kosten dafür tragen müssen, wenn Billigstromanbieter Energiemengen oder Abgaben nicht mehr bezahlen. Wir sind der Meinung, nicht die Kunden die sich informieren und den günstigen Versorger vor Ort wählen, sind die Täter, sondern die Billiganbieter und die Politik, die die Verbraucher falsch informieren, sind die Verursacher der aktuellen Situation.
Jahrelang Preishopping propagiert – doch wer wird bei der nächsten Krise noch da sein?
Jahrelang riefen Politik, Verbraucherschützer und Medien dazu auf, regelmäßig den Strompreis zu überprüfen, was auch absolut richtig ist. Jedoch im weiteren Verlauf Stromkunden dazu zu drängen zu dem billigsten Anbieter zu wechseln, ist unüberlegt. Denn erstens haben auch die regionalen Anbieter Produkttarife, welche günstiger als der Grundversorgungstarif sind, und zweitens muss man bei den Vergleichen immer den Endpreis heranziehen inkl. sämtlicher kleingedruckter Vertragsbestandteile.
Die Politik verweist für Vergleichstarife oft an die so genannten unabhängigen Vergleichsportale, deren Geschäftsmodell jedoch gerade darin besteht, Werbeplätze im Online-Portal zu verkaufen und Provisionen für Wechselkunden zu erhalten. Die Politik hat gutgläubige Kunden geradezu den Billiganbietern mit fragwürdigen und schwer durchschaubaren Vertragsbedingungen in die Hände getrieben. Zugesagte Boni werden meist erst im zweiten Vertragsjahr angerechnet, hier ist aber der Jahrespreis deutlich höher wie bei den seriösen Anbietern. Die meisten Stromdiscounter sind nun nicht mehr auf dem Markt, doch sobald sich der Energiemarkt beruhigt hat, tauchen sie wieder unter neuem Namen auf. Die seriösen Anbieter aber haben die nun hinzugekommenen Mengen zu sehr teuren Preisen nachbeschaffen müssen und sitzen dann unter Umständen auf den teuer beschafften Mengen.
Dann beginnt das Spiel von vorne, wenn Politik, Verbraucherschutzzentralen und Vergleichsportale wieder aufrufen: „Wechselt den Anbieter, hier können Kunden hunderte Euros sparen“. Die regionalen Versorger (Grundversorger) werden es dann aber schwer haben, konkurrenzfähig zu bleiben, da sie für die von den Billiganbietern gekündigten Kunden Strommengen zu sehr teureren Einkaufpreisen nachkaufen mussten. Doch wer wird bei der nächsten Krise noch da sein, wenn wieder alle Billiganbieter die Kunden auf die Straße setzen?
Eine ehrliche Diskussion ist notwendig
Seriöse Stromanbieter gewährleisten in Deutschland eine sichere und zuverlässige Stromlieferung. Diese jetzt dafür an den Pranger zu stellen, dass sie ihre Preise anpassen, um all diejenigen Kunden, die von den Billigstromanbietern in die Grundversorgung gefallen sind, aufzufangen, ist das völlig falsche Signal. Viel wichtiger wäre es, die Verbraucher dahingehend zu schützen, dass sie nicht, wie es etwa Stromio gemacht hat, von heute auf morgen vom Stromanbieter gekündigt werden, weil diesem die Preise an der Strombörse zu teuer sind.
Die ÜZW Energie AG hat für die Bestandskunden die Strompreise zum Jahreswechsel nicht erhöht. Jedoch müssen auch wir für Neukunden die Preise ab Februar moderat anheben.
Wir als ÜZW wünschen uns wie alle Grundversorger eine ehrliche Aufklärung über die Sachlage. Nur über die Preise der Grundversorger zu diskutieren ist nicht der richtige Weg, es sollte besser auf die Stromdiscounter geachtet werden. Stromio hat übrigens bereits im Kündigungsschreiben angekündigt, wieder auf den Markt zu treten, wenn sich die Lage beruhigt hat. Umso wichtiger ist hier der Schritt der Düsseldorfer Staatsanwälte, die nun prüfen, ob Ömer Varol mit seinen Energiediscountern (Stromio, Grünwelt und Gas.de) rechtens gehandelt hat oder nicht.“